Impulse für Achtsamkeit

Eine persönliche oder berufliche Veränderung bringt unser persönliches Mobile in Bewegung. Etwas kommt hinzu (z.B. ein nebenberufliches Studium) oder etwas wird ersetzt oder entfernt (z.B. eine berufliche Veränderung). Es ist also viel los und das Mobile schwingt sich neu ein. Für die Beziehung(en), die wir führen, hat das enorme Auswirkungen.

Beispiel: Sybille startet im Masterstudium an der Diploma Hochschule. Sie ist 38, verheiratet und hat einen fünfjährigen Sohn und eine einjährige Tochter. Sie startet das Studium in ihrem zweiten Jahr der Elternzeit. Wie sich Veränderungen auf eine Beziehung auswirken können, zeige ich anhand von vier Phasen und am Beispiel des „Mobiles“.  auswirken können, zeige ich anhand von vier Phasen und am Beispiel des „Mobiles“.


1. Phase Goldgräberstimmung
Der Anfang einer Veränderung fühlt sich meistens gut an. Einen Job oder ein Studium zu beginnen, kann sich auf die Stimmung und das Wohlbefinden auswirken. Das kann wiederum dazu führen, dass wir glücklicher und zufriedener in einer Beziehung sind. Für Sybille ist es unglaublich, als das erste Paket mit Studienunterlagen ankommt und sie ist Feuer und Flamme für die Kontaktblöcke mit all den neuen Impulsen. Sie fühlt sich voller Energie und belagert gerne in den Abendstunden den Küchentisch mit ihren Unterlagen und verpasst keinen Kontaktblock. Ihr Mann Lenny lässt sich von ihrer Begeisterung mit anstecken. Er fängt an, das Arbeitszimmer für sie zu renovieren und zu gestalten, so dass sie ungestört lernen kann.

2. Phase Zweifel und Enttäuschungen
Das zweite Semester startet, die Leistungsnachweise summieren sich. Sybille merkt langsam, dass sie neben
Kinderbetreuung und Haushalt nicht wie geplant Lernabende einhalten kann und die Samstagsvorlesung klappt auch nicht immer. Sie wünscht sich Unterstützung und zumindest ein paar aufmunternde Worte von Lenny. Stattdessen fragt er nicht mal nach, wie ihr Studium gerade läuft. Letzten Samstag gab es einen Konflikt: Da ist er einfach während der Online-Vorlesung ins Arbeitszimmer gekommen, um nach einer Kleinigkeit zu fragen. Sybille fühlt sich verletzt und nicht mehr verstanden. Das Wochenende, das ihr eigentlich als Zeit zum Lernen und Entspannen dient, wird immer öfter durch unvorhergesehene Dinge unterbrochen. Sybille fragt sich, wie es in ihrer Beziehung weitergehen soll, wenn sie das Gefühl hat, dass ihr Partner sie nicht mehr unterstützt. Nach dem anfänglichen Hoch einer Veränderung folgt irgendwann die Realität. Wir erinnern uns an das Mobile, das sich durch eine Veränderung in Bewegung setzt und dann langsam wieder zur Ruhe kommt. Durch ein Studium verändert sich so vieles, auch die eigenen Bedürfnisse. Plötzlich verspüren wir ein neues Verlangen nach konkreter Unterstützung, zum Beispiel einem freien Abend zum Lernen, oder nach Anerkennung für die Erfolge. Das Studium führt auch zu weniger Paarzeit. All das hat Auswirkungen auf eine Beziehung. In dieser Phase kann es ruckeln – sowohl in einem Studium als auch in einer Beziehung. Doch keine Sorge! Schauen wir mal, wie es weitergeht.

3. Phase Einpendeln und Stabilisierung
Ich verrate jetzt etwas: Auch wenn die Goldgräberstimmung großartig ist – es ist gut, dass sie nicht ewig anhält. Denn wir brauchen nach einer Veränderung auch die darauffolgenden Phasen. In diesen Phasen zeigen sich die neuen Bedürfnisse. Für eine Beziehung ist das eine Chance: Denn es geht nun darum, die neuen Bedürfnisse mit den Bedürfnissen des Herzensmenschen abzugleichen und zu verhandeln. So geht es für Sybille und Lenny weiter: Es hat ein paar hitzige Gespräche und Tränen gebraucht, bis die beiden ihr Mobile neu zurechtgerückt
haben. Lenny fragt nun regelmäßig, wie der Tag für Sybille war und ob sie ihr Arbeitspensum für das Studium
geschafft hat. Dadurch fühlt sie sich nicht nur anerkannt – es motiviert sie, die Dinge tatsächlich anzugehen. Wenn Sybille im Arbeitszimmer ist, heißt Tür zu nun: Bitte nicht stören. Neben festen Lerntagen für Sybille, an denen Lenny für die Kinder zuständig ist, haben die beiden auch feste Paarabende, an denen sie sich Zeit für sich nehmen. Das war vor allem Lenny wichtig, der sich durch das Studium etwas vernachlässigt gefühlt hat.

4. Wachstum
Wir gehen stärker aus jeder holprigen Phase heraus. Dasselbe gilt für eine Beziehung. Das wird uns klarer, wenn wir einmal auf vergangene Herausforderungen zurückblicken. Es geht darum, einen Weg als Paar zu finden. Sybille und Lenny haben ihren Weg gefunden, ihre jeweiligen Bedürfnisse zu verhandeln und auszuleben. So wird das Studium, das fast eine Beziehungskrise eingeleitet hat, zur großen Wachstumschance für die beiden, die sie enger zusammenschweißt. Wir sehen also: Der Weg einer beruflichen Veränderung oder eines Fernstudiums bringt nicht nur Wachstum an Wissen. Es ist persönliches Wachstum und auch eine Chance für eine Beziehung.

Zur Autorin: Wenn Carolyn Litzbarski nicht freie Dozentin an der Diploma tätig ist, widmet sie sich in ihrer Arbeit als Beziehungscoach und in ihrem neuen Buch der Liebe und den Herausforderungen moderner Beziehungen.

Impulse für Achtsamkeit,  Illustration ©Pia Teutenberg

Impulse für Achtsamkeit, Illustration ©Pia Teutenberg

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