Wachstum, süßes Leben und Zeichen & Wunder
Text: Dr. Klaus Mucha.
Dr. Klaus Mucha arbeitet als Diplom-Psychologe in Berlin u.a. in Beratung, Therapie, Hochschullehre. Er ist seit 2018 Lehrbeauftragter der DIPLOMA und hat uns folgenden Beitrag geschrieben:
Anlässlich des DIPLOMAgazins „Wachstum“ hatte ich meine Gedanken zum Editorial geäußert, das mir vorkam wie vom anderen Stern. Schöne neue Welt? Die Realität auf der Erde, in Europa, Deutschland, Berlin sieht nicht so rosarot aus wie durch die Brille der Editorinnen und Editoren.
Die DIPLOMA residiert in Hessen. Dort ist die AfD bei den Landtagswahlen soeben als zweitstärkste Partei in den Landtag eingezogen! Nahezu jede:r Fünfte sieht in dieser Partei mit Neonazis, Rechtsextremistinnen und -extremisten, Rassistinnen und Rassisten eine Alternative zur herrschenden Politik.
Hochschulen müssen mit dem Kopf in die Wissenschaft eintauchen und mit beiden Beinen mit der Gesellschaft verbunden sein, wenn sie relevant sein wollen. Das gilt auch für die DIPLOMA.
Die Editorinnen und Editoren sprechen vom „Tauschprozess“. In der Realität finden jedoch eher Täuschprozesse statt, die zu entlarven sind. Auch in Hochschulen, oder sogar gerade dort, hat doch Aufklärung stattzufinden und nicht Desorientierung.
Das süße Leben
Ich war gespannt, ob „Das süße Leben“ die Fortsetzung vom anderen Stern sein wird.
Leider ja! Gibt es keine relevanteren Fragestelllungen als die, ob wir uns duzen? Ich dachte, die Frage wäre zu Beginn meines Studiums vor einem halben Jahrhundert schon geklärt worden. Sind das die bewegenden Fragen an Hochschulen heute?
Zeichen und Wunder
Zeichen sind überall, sie werden subjektiv wahrgenommen und interpretiert. Im Alltag wird manchmal von Wundern gesprochen, wenn irgendwelche Zeichen den Erklärungshorizont übersteigen. Das war schon immer so. Wissenschaften können natürlich auch nur mit den jeweils entwickelten Erfassungsmethoden Zeichen erkennen. Was bestehende Methoden nicht erfassen, kann auch nicht erkannt werden. „Wunder“ werden in Wissenschaften gegebenenfalls als Placebo-Effekte oder Ausreißer, als Restkategorie oder auch als signifikante Abweichung bezeichnet. Alle Schwäne sind bekanntlich so lange weiß, bis ein schwarzer Schwan gefunden wird.
Persönlich oder ethisch sollte man Demut zeigen. Bekanntlich sind andere Mitgeschöpfe mit anderen Wahrnehmungskompetenzen ausgestattet als Menschen. Hunde spüren früh, wenn ihrem Menschen ein epileptischer Anfall droht. Ebenso erschnuppern sie Drogen oder Leichen, die der Mensch übersehen würde. Ziegen oder Katzen sollen früh spüren, wenn Erdbeben drohen. Elefanten nehmen wohl Tsunami Infraschallwellen wahr. Alles Beispiele der Begrenztheit menschlich-wissenschaftlicher Möglichkeiten.
An Hochschulen sollten Studierende wissenschaftliches Arbeiten und Denken lernen. Das schließt ein, die Grenzen zu akzeptieren bzw. erweitern zu wollen. Das Weiterentwickeln wissenschaftlicher Methoden und Modelle zum Erkenntnisgewinn sollte eine Hauptmotivation wissenschaftlicher Arbeit sein.
Hochschulen sollten insbesondere denjenigen Studiereden, die aus eher benachteiligten Herkunftsfamilien kommen, Mut machen auf dem Weg durchs Studium und in die Berufstätigkeit (Mucha 2019, 2023).
Mucha, Klaus 2019a: Erinnerungen und Erfahrungen im Rückblick auf Studium und Arbeit an der FU. fu-berlin.de/sites/alumni/verbunden-bleiben/unsere-alumni/mucha/index.html
Mucha, Klaus 2019b: Tätigkeit als Psychologe. Interview mit Dr. Mucha auf dem Portal für alle Arten der Psychologie-Ausbildung psychologie-ausbildung.com/interview-mit-dipl-psych-dr-klaus-mucha-aus-berlin
Mucha, Klaus 2023: Lieblingsort: das große Areal des Campus in Dahlem. Interview mit Dr. Klaus Mucha, Alumnus der Freien Universität. fu-berlin.de/sites/75jahre/lieblingsorte/interviews/mucha/index.html
Leserbriefe und Gastbeiträge drücken nicht immer die Meinungen der Redaktion bzw. der Hochschule aus. Sie zeigen die Vielfalt der Ansichten und Betrachtungswinkel als Grundlage für Diskurse.
