Das Amt gegen Schummeln in Bückeburg
Text: Prof. Dr. Kathrin Rothenberg-Elder
DIPLOMA Hochschulstandort
Am 29.09. 2023 wurde Prof. Dr. Uwe Völkening nach über 20 Jahren Arbeit für die DIPLOMA Hochschule in den Ruhestand verabschiedet. Im Laufe seiner Tätigkeit als Leiter des Prüfungsamtes hat er sage und schreibe 17.034 Zeugnisse allein in dieser Funktion unterschrieben – also alle jemals an der Hochschule ausgestellten. Völkening war außerdem als Professor, Dekan des Fachbereichs Wirtschaft sowie Vizepräsident tätig und bleibt auch nach seiner feierlichen Verabschiedung als Studiendekan der Hochschule erhalten. Herr Prof. Dr. Uwe Völkening ist als Leiter des Prüfungsamtes zum Oktober 2023 in den Ruhestand gegangen. Dr. Carsten Kolbe stellte ihm ein paar Fragen zu den letzten 20 Jahren als Leiter des Prüfungsamts.
Das Amt gegen Schummeln in Bückeburg?
Das ist eigentlich eine falsche Amtsbezeichnung. Das Schummeln – prüfungsrechtlich „Täuschungsversuch“– können wir schlecht verhindern, höchstens versuchen, durch eine gute Organisation aufzudecken.
Wie viele Unterschriften haben Sie in ihrem bisherigen Leben geleistet?
500 oder vielleicht 1.000 oder gar 10.000? Wenn ich alle Unterschriften unter Zeugnisse, Transcript of Records, Diploma Supplements, sonstige Bescheide und Bescheinigungen meiner 25-jährigen Zeit im Prüfungsamt zusammenzählen sollte, käme ich bestimmt auf 100.000.
Herr Völkening, haben Sie während der Schulzeit mal geschummelt? Welcher Schummeltrick ist Ihnen aus dieser Zeit in Erinnerung geblieben?
In meiner Schulzeit habe ich nie geschummelt – außer vielleicht einmal versucht „abzugucken“, aber nur zur Kontrolle, ob mein Nachbar es auch richtig hatte. Während des Studiums hatte ich großen Respekt vor dem Fach „Finanzierung“. In meiner Not habe ich im Sommer extra Stiefel angezogen und mir einen „Merkzettel“ in den Schaft gesteckt. Ich war aber zu nervös, um ihn zu benutzen. Es hat auch so zum Bestehen gereicht.
Ist es statthaft als Leiter des Prüfungsamtes einen sogenannten „Schreibroboter“ zu benutzen, der mit einem Füller eine digitalisierte Unterschrift an die gewünschten Stellen schreibt? War es notwendig bei der Fülle von Zeugnissen?
Ein Schreibroboter, der die Unterschrift nachahmt, wäre sicher nicht statthaft. Es gibt aber Überlegungen zu sogenannten „digitalisierten Unterschriften“, die über das Verwaltungsprogramm in digital abgesicherter Form auf die Urkunden gedruckt werden. Hier ist es jedoch nicht absolut rechtssicher, ob eine Originalunterschrift auf Urkunden ersetzt werden darf. Aber ich finde, auf eine Abschlussurkunde gehört auch eine Originalunterschrift, um den akademischen Grad zu besiegeln. Deshalb habe ich nie einen Schreibroboter benutzt.
Ist Ihnen bekannt, ob eine DIPLOMA Abschlussurkunde schon mal gefälscht wurde bzw. Ihre Unterschrift (Urkundenfälschung)?
Ja, mir sind aus der Vergangenheit zwei Fälle von Urkundenfälschungen in Erinnerung, die entdeckt worden sind. Meist resultieren die Entdeckungen aus Nachfragen von Behörden oder Unternehmen innerhalb eines Bewerbungsprozesses.
Als Leiter des Prüfungsamtes haben Sie über 20 Jahre sicher zahlreiche kleinere Betrugsversuche, allgemein als Schummelei bezeichnet, erlebt. Fallen Ihnen ein oder zwei ein, wo sie im Rückblick sagen würde, Chuzpe, das war kreativ?
Ich denke, die kreativsten Täuschungsversuche haben wir leider wohl nicht bemerkt. Mir fallen folgende Kreativversuche ein, die entdeckt wurden: Einmal wurde eine Kugelschreiber-Sonderanfertigung mit ausziehbarem Spickzettel entdeckt, ein anderes Mal bestand die Innenseite des Etiketts einer Wasserflasche aus einem Mogelzettel, den man nur lesen konnte, wenn man aus der Flasche trinkt.
Erinnern Sie sich auch an Schummeleien bzw. Betrugsversuche, die für den Studierenden nach hinten los gegangen sind, wie z. B. das Schummelblatt bei der Klausur mit abzugeben?
Ja, dass Spickzettel mit der Klausur abgegeben wurden, kam tatsächlich schon einige Male vor. Besonders in Erinnerung ist mir noch eine Dame, die verbotene Zettel unter ihrem Rock trug, die leider nach der Klausur beim Verlassen des Raumes herausgefallen sind.
Handwerker:innen und Planer:innen sagen öfters, nichts hält so lange wie ein Provisorium. Man gewöhnt sich an diese und manchmal gewinnt man sie auch ja richtig lieb. Außerdem funktionieren sie auf erstaunliche Weise. Fällt Ihnen dazu etwas aus den über 20 Jahren Ihrer Tätigkeit im Prüfungsamt oder an der DIPLOMA Hochschule ein?
Nein, dazu fällt mir im Bereich Prüfungen nichts Konkretes ein. Aber im Jahr 2009 wurden aufgrund mangelnder Bewerber:innenzahlen im Masterstudiengang Wirtschaft und Recht die Veranstaltungen an 3 Standorten „provisorisch“ online verbunden, aus denen sich dann das heutige riesige Potenzial der digitalen Fernhochschule DIPLOMA entwickelt hat.
Sie haben Prof. Dr. Stephan Convent den Staffelstab des Prüfungsamtes in Bückeburg übergeben. Welchen Top-Tipp in dem Spannungsfeld Schummeln bis Betrug geben Sie Ihrem Nachfolger mit auf dem Weg?
Durch die zunehmende Digitalisierung eröffnen sich natürlich auch neue Möglichkeiten von Täuschungsversuchen. Zu den zukünftigen Herausforderungen von Prof. Dr. Convent und seinem Team gehören mit Sicherheit die Regulierung der Nutzung und die Entdeckung des Missbrauchs von künstlicher Intelligenz beim Verfassen von schriftlichen Arbeiten. Zudem eröffnet sich zu den oben genannten Beispielen noch ein neues Feld im Rahmen der Zunahme der sogenannten „Online-Klausuren“. Hier gilt es innerhalb der datenschutz-, persönlichkeits- sowie internetrechtlichen Möglichkeiten eine Organisation zu kreieren, die das Potenzial von Täuschungsversuchen von vornherein minimiert.

Illustrationen: Eileen Rosenbohm
