Werte und Hochschulkultur: Lebensringe – Wachstum und Werte

Interview: Prof. Dr. Andreas Lanig im Gespräch Kanzler Prof. Dr. Andreas Blindow
Portrait: Angelina Benedetti <angeart1990@googlemail.com> 

Über Familienwerte durch das Leben bewegen: Der Kanzler unserer Hochschule Prof. Dr. Andreas Blindow (ABL) erzählt von einer Brücke aus seiner Kindheit in den Schulen der Unternehmerfamilie Blindow zu seiner jetzigen Rolle in der Geschäftsführung. Welche „Brückenarbeiten“ aktuell für ihn anliegen, schildert er in einem Gespräch mit Prof. Dr. Andreas Lanig (AKL).
 

AKL: Jeder berufliche Weg fängt irgendwo an. Eine Entscheidung, ein Erlebnis, ein Impuls … können Sie Ihren Weg zu Ihrer jetzigen Rolle skizzieren? 

ABL: Zu dieser Frage müssen wir differenzieren zwischen der beruflichen Laufbahn und den Qualifikationen, die ich ursprünglich erlernt habe. Ich bin schon immer technisch interessiert gewesen. Gleichzeitig bin ich in eine Unternehmerfamilie hineingeboren worden. Das hat mich zum Studium des Wirtschaftsingenieurwesens in Kaiserslautern und Hamburg gebracht, das ich über meine Promotion  an der ETH Zürich vertieft habe. Insofern habe ich, wenn man so will, mein inneres fachliches Interesse mit der Kombination Maschinenbau und Wirtschaft verwirklicht. Dann habe ich schon relativ früh im Dienstleistungsbetrieb Schule mitgearbeitet. 

Mich hat von klein auf geprägt, auf dem Schulgelände und im obersten Stock einer Schule aufzuwachsen. Ich stand dort bereits als 14-Jähriger im Klassenraum und habe an unseren Berufsfachschulen erste EDV-Kurse gegeben. 

So haben sich beide Wege zu der jetzigen Laufbahn verbunden. Als mich mein Vater gefragt hat, ob ich bereit wäre, in den Schulbetrieb einzusteigen, habe ich erst überlegt, ob ich außerhalb des elterlichen Betriebes Berufserfahrung sammeln sollte. Aber ja – wie es in einem Familienbetrieb eben ist – es wurde zu diesem Zeitpunkt jemand gebraucht. So bin ich dann nach dem Studium ins elterliche Unternehmen eingestiegen und habe eine Führungsposition an unserer damals jüngsten Schule in Friedrichshafen am Bodensee übernommen. Dort habe ich auch unterrichtet, nachdem ich die pädagogische Qualifikation nachgeholt habe. Danach habe ich  bis 2009 sukzessive vier weitere Standorte in Baden-Württemberg aufgebaut. Die nächste Position war dann die Geschäftsführung, die ich von meinem Vater 2009 übernommen habe, der altershalber aus dem Unternehmen ausgestiegen ist.  

AKL: Wie ist Ihre persönliche Definition dieser Rolle?  

ABL: Klassischerweise kümmert sich die Geschäftsführung um die strategische Entwicklung der Schulen wie auch der Hochschule. Dort schaue ich vor allem auf die Schnittstelle dieser beiden Systeme: Gibt es Synergieeffekte? Oder geht man auch bewusst getrennte Wege? Dann bin ich  in meiner Rolle für das Personal und dessen Weiterentwicklung zuständig. Das halte ich – neben dem Marketing – für meine Kernaufgabe.  

AKL: Wenn Sie sagen, Sie standen mit 14 schon vor der Klasse – gibt es Schlüsselmomente, in denen Sie spürten, es ist der richtige Weg, Lehrer zu werden?  

ABL: Tatsächlich hatte ich lange Bedenken, ob ich überhaupt berufen bin, Wissen zu vermitteln. Und ich muss auch sagen, diese Situation mit 14 Jahren war auch nicht ganz freiwillig. 

Andererseits war es ein Schlüsselerlebnis, Wissen zu haben und dies auch weiterzugeben. Wissen weitergeben in einer Form, dass andere es auch verstehen. 

Nun waren EDV-Themen 1985 Lehrinhalte, womit kaum Lehrende in Berührung kamen. Ich habe von den Schülern dort, die gerade mal 2-3 Jahre älter waren, die Dankbarkeit dafür verspürt. Dieses tolle Feedback hat mich in dieser Unmittelbarkeit bestärkt. So dass ich gesagt habe: „Mensch, das klappt ja doch!“. Und es hat mir Spaß gemacht. Das hat mich geprägt.  

AKL: Sie haben in einer unserer Senatssitzungen einmal erzählt, wie Sie als Schüler Nachhilfe gaben, um benachteiligte Schüler zu unterstützen. Können Sie diese Geschichte ausführen?  

ABL: Richtig, ich habe in der Oberstufe in Mathe und Physik Nachhilfe gegeben. Auch das hat mir Spaß gemacht, anderen etwas beizubringen und sie zu unterstützen. Vor allem war es mein Ehrgeiz, Aufgaben zu bearbeiten, die als unlösbar galten ... gerade, wenn es um Statistik oder mathematische Dinge ging. In Lerngruppen Wissen zu erarbeiten und im Team Ergebnisse zu erzielen: Das sind Dinge, die bereiten mir Freude.  

AKL:  Die Hochschule baue Brücken zum Erfolg – so sagt es der Slogan. Was für „Brücken“ sind das Ihrer Ansicht nach? Welche „Brückenarbeiten“ beschäftigen Sie persönlich?  

ABL: Diesen Begriff hat mein Vater geprägt, der wiederum seine eigene Erfahrung von meinem Großvater mitgebracht hat. Zunächst einmal bezieht sich das Bild der Brücke auf unser Dienstleistungsangebot, das wir als Bildungsträger anbieten: 

Wir wollen Bildung eröffnen für Menschen aus allen möglichen Herkünften und Bildungsschichten. In diesem Punkt wollten wir nie eine elitäre Einrichtung für bestimmte Klientel oder mit einem bestimmten Portemonnaie sein. Nein, wir wollen unser Angebot allen anbieten, die einen Beruf erlernen wollen – wir bieten allen eine Brücke zum Wunschberuf. 

Das war die Mission der ersten Schule meines Großvaters. Das war auch der Gründungsgedanke der Hochschule. Gerade in Physiotherapieschulen gab es Wartezeiten von zwei bis drei Jahren. Meine Familie sagte damals sinngemäß: „Mensch, hier müssen wir andere Wege finden, um möglichst vielen den Wunschberuf oder das Wunschstudium anbieten zu können“. So haben wir immer organisatorische Möglichkeiten gefunden, innovative Bildungsangebote zu schaffen – gerade auch für Menschen, die noch nicht so richtig wissen, was sie wollen. Und auch für Menschen, die im staatlichen System durch das Raster fallen.  

AKL:  Sie beschreiben gerade so etwas wie den Markenkern, nämlich Nischen mit innovativen Bildungsangeboten zu füllen. Können Sie diesen Aspekt bitte vertiefen? 

ABL: Gerne. Wir bieten weniger einer möglichst breiten Masse Bildungsangebote an, sondern konzentrieren uns darauf, die Menschen individualisiert anzuschauen. Insofern versuchen wir hier, diesen Menschen Brücken zu bauen. Uns ist wichtig, dass sie ihren Abschluss schaffen, obwohl sie vielleicht aus finanziellen, sozialen, persönlichen oder gesundheitlichen Gründen erstmal benachteiligt wären. Weil sie zum Beispiel kleine Kinder zu Hause haben und trotzdem durch unsere Online-Studienvariante zum Erfolg geführt werden. Insofern hat sich diese Brücke seit den Gründungsjahren der Hochschulen etwas verändert. Weil die Zugänge nicht mehr so stark reglementiert sind. Umso mehr schauen wir auf die individuelle Person und deren persönliches Umfeld.  

AKL: Was bedeutet diese Identität für die alltägliche Arbeit der Lehrenden, aber auch für die Kolleginnen und Kollegen der Verwaltung? Was heißt das für all die Lehrbeauftragten?  

ABL: Wir sollten uns in der Führung einig sein, dass wir möglichst vielen Personen Studienmöglichkeiten in einer Hochschule oder Ausbildungsmöglichkeiten in den Schulen anbieten wollen. Und natürlich sind die Wege, die dann beschritten werden, sehr unterschiedlich. Und vielleicht besteht darin auch nicht immer eine Einigkeit. 

Wichtig finde ich aber, dass wir eine Dienstleistung am Menschen betreiben. Und das einigt, denke ich, die Führung wie auch sämtliche Lehrbeauftragten und Professoren. Das sollte unsere gemeinsame Arbeitsgrundlage sein: Dienstleistung am Menschen. 

Und so gibt es in der Umsetzung verschiedene Möglichkeiten. Das fängt bei den Senatskonferenzen und den Strategiesitzungen an und wird dann weitergetragen über die Dekaninnen und Dekane sowie in die Studiengangsleitungen, die es wiederum vermitteln an die Lehrbeauftragten. Das halte ich für die Aufgabe der Aufbauorganisation, diese Ziele auf den unterschiedlichen Ebenen zu verwirklichen. Und natürlich auch umgekehrt:  Unzufriedenheiten rückzukoppeln und die Ursachen mit der Hochschulleitung aufzuspüren, um damit daraus dann eine gemeinsame Lösung zu finden. Insofern geht es für mich nicht immer von oben nach unten. Wir sind genauso offen für Worte und konstruktive Kritik. 

AKL: Eine eventuell private Frage: Sie haben als Kanzler ein enormes Arbeitspensum. Woher nehmen Sie die Kraft für Ihre tägliche Arbeit? 

ABL: Von der Familie – das ist für mich das Wichtigste: die Familie. Da kommt die Stabilität und die Kraft her. Und natürlich auch die Motivation. Vor allem auch der Rückhalt, wenn ich etwas aus dem Alltag des Hochschul- und Schulbetriebes erzähle und die mir dann interessiert zuhören und nicht sagen „Ach, der nervt schon wieder, der Papa“. Nein, sondern, dass die das auch toll finden. Mein ältester Sohn beispielsweise macht derzeit ein Praktikum im Schulbetrieb und ist ganz begeistert. Und auch, dass meine Frau das mitträgt, die sie sich auch selber schon engagiert. Wir sind sehr gewachsen in den letzten Jahren. Daher ist mir persönlich sehr wichtig, dass man trotz des Wachstums den familiären Charakter des Unternehmens beibehält. Denn daraus schöpfe ich die Kraft, die Unternehmen voranzutreiben und das Wachstum zu stabilisieren. Dann ist mir auch wichtig, dass den Mitarbeitern die Arbeit Spaß macht.  

AKL: Wenn Sie sich bitte abschließend auf eine Wunderfrage einlassen: Zeitreisen sind möglich und Sie reisen 10 Jahre in die Zukunft: Welche Hochschule möchten Sie dort vorfinden? 

ABL: Ich möchte die Hochschule auch weiterhin in dieser Form vorfinden! Dass einerseits die Menschen gern ihre Arbeit tun. Dass andererseits die Studierenden Freude beim Lernen haben. Ich möchte weiterhin eine dynamische Hochschule sehen, die sich ihrer Zeit zwar nicht vollumfänglich anpasst – das erwarte ich nicht – sich aber mit der jeweiligen Gegenwart auseinandersetzt. Eine Hochschule, die sich fragt: Was ist up to date? Was sollte ich lehren? Und vor allem: Mit welchen Technologien sollte ich Schritt halten? Dass man nicht mit seinen alten Klamotten von vor 30 Jahren sitzen bleibt. 
 

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Prof. Dr. Andreas Blindow, Kanzler der DIPLOMA Hochschule. Gezeichnet von Angelina Benedetti.

Prof. Dr. Andreas Blindow, Kanzler der DIPLOMA Hochschule. Gezeichnet von Angelina Benedetti.

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