Ehrenamtliches Engagement und beruflicher Kompetenzaufbau

Glücklicherweise wächst seit Jahren das Bewusstsein, dass ehrenamtliche Arbeit extrem wichtig ist, dass es eben auch Arbeit ist. Ein Teil der Wertschöpfung, ohne die unsere Infrastruktur gar nicht denkbar wäre. Menschen arbeiten ehrenamtlich, weil sie irgendetwas wichtig finden, aber sie arbeiten auch ehrenamtlich aus Karrieregründen, weil es sie weiterbringt, weil sie Fähigkeiten aufbauen können, die dann wiederum für die bezahlte Lohnarbeit sehr wertvoll werden können. So war einer der Vorgänger dieses Magazins eine Lyrikzeitschrift, die ich über Jahre führte.
 

Die ehrenamtliche Arbeit hat meinen Blick erweitert. Es gibt mir Sinn, es gibt mehr Verbindungen, es hat mir neue Freundschaften geschenkt. Mir geholfen neue Fähigkeiten zu entwickeln.  Aber mein ehrenamtliches Engagement hat meinen Blick gleichzeitig verengt – das stelle ich zunehmend fest: In meinem Umfeld, auch in meiner Familie engagieren sich viele ehrenamtlich – meist fest in einer Organisation, meist mindestens einmal die Woche, mit Feuer und Flamme. Aber es gibt ja viel mehr ehrenamtliches Engagement! Eine Freundin hegt den Schulgarten, wenn ich Expertise brauche, frage ich sie. Ein guter Bekannter – bis oben hin mit seiner Erwerbstätigkeit beschäftigt – ist ein kluger Stadtplaner. Wenn ich etwas zur Quartiersentwicklung wissen will, frage ich ihn. Dieses Engagement ab und zu und nur auf Anfrage ist höchst wertvoll, auch wenn es ‚nur‘  auf einen Tag oder ein paar Stunden im Jahr beschränkt ist, das möchte ich mehr willkommen heißen. Nur ein Tag im Jahr ist immerhin ein Tag im Jahr!

Dabei gibt es einen Aspekt, der mir immer wichtiger wird: Jede Person, die sich engagiert, egal in welchem Maß, sollte auf sich aufpassen. Wir müssen sehen, welche Arbeit uns zuträglich ist und nicht, welche Geschichten, die wir vielleicht mitbekommen, uns so sehr belasten, dass das Ehrenamt zur Qual wird und nicht auch im Dienst der Persönlichkeitsentwicklung steht, was es ja oft tut! Systematische Selbstfürsorge und Ehrenamt sollten also stetig Hand in Hand gehen. Darüber haben eine Freundin, eine Studierende, die mit Erscheinen dieser Ausgabe ihren Bachelor in Psychologie haben wird, und ich dazu ein Projekt entwickelt und sogar ein Buch geschrieben.

Ich hoffe, dieser kleine Text wird vielleicht einige der Leser:innen, die sich noch nicht ehrenamtlich engagieren, dazu motivieren. Als Studierende bedenkt bitte: Ein Ehrenamt zu haben, ist ein Faktor, nach dem Arbeit- und Stipendiumsgebende schauen. Und es kann wichtige berufliche Impulse, wichtige berufliche Erfahrungen beisteuern.

Quellen: 
Kals, E., Thiel, K., & Freund, S. (2019). Handbuch zur Konfliktlösung im Ehrenamt (1. Auflage). Verlag W. Kohlhammer. 
Rothenberg-Elder, K., & Kutscha, E. (2024). Empowerment für Aktivist*innen Ein Leitfaden zur Selbstfürsorge im Ehrenamt. Psychosozial-Verlag.
 

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