Banden bilden für Bildung
Text: Prof. Dr. Kathrin Rothenberg-Elder
Lernen ist Teil unseres Lebens, Teil unserer Biografien – auch in der Hochschule. Die damit verbundenen konkreten Lernprozesse finden immer auf verschiedenen Ebenen statt.
Eine ganz wichtige Ebene ist für mich die immanent-lebensweltliche, in der etwas auch Abstraktes real, anfassbar wird. Das Reale wird zu einem Kristallisationspunkt, es zeigt, wie etwas ist – und kann dann verändert werden.
Was wir dafür brauchen? Geduld und Wagemut, denn Wagemut hilft. Das habe ich erst vor kurzem anlässlich einer Gesetzesänderung in meiner Heimatstadt gelernt: Seit April 2023 ist es Frauen in meiner Heimatstadt Köln, aber auch in einigen anderen Städten Deutschlands erlaubt, sich in Schwimmbädern ohne Oberteil frei zu bewegen. Über 40 Jahre habe ich meine Brüste in der Öffentlichkeit von Schwimmbädern, an oder in Gewässern bedeckt. Und nun diese revolutionäre Möglichkeit! Da ist mir wieder klar geworden, dass ich als Frau zu meiner Freiheit selbst etwas beitragen muss. Dass Freiheit etwas mit Handlungen in der Öffentlichkeit zu tun hat, mit der Verwirklichung von Gleichheit. Und dass hier persönliche Erfahrungen, lebensweltlicher wie rechtlicher Rahmen, auf etwa berufliche Kompetenzen Einfluss nehmen. Wenn ich meinen Wagemut in einem Bereich selbstwirksam bestätigt sehe, kann ich auch eher in einem anderen Bereich Wagemut zeigen: Yes, I can!
Was wir privat wie ehrenamtlich tun, stärkt oder schwächt uns oft insgesamt. Unsere privaten Entscheidungen beeinflussen das Professionelle. Etwa wo ich lebe, mit wem, was ich esse, wie ich mich bewege, wie ich auf mich selbst achte ...
Eine langjährige Freundin von mir arbeitet als Therapeutin – und arbeitet als Bildhauerin. Sie beschrieb: Ohne die eine Tätigkeit könnte sie der anderen nicht nachgehen. Um gut zu entscheiden, brauchen wir Beispiele, wie die der mutigen Frauen am Strand, der frechen, starrsinnigen Menschen, die sich immer wieder Bürgerrechte erstritten haben, wie die hoch werteorientierten Studierenden, die durch ihren Entschluss dieser Bildungsmaßnahme Vorreiter:innen, ermutigende Beispiele sind.
Ich erlebe Studierende, die lange brauchten, um sich ein Studium nicht zuzutrauen. Die teilweise sich dieses Studium zuerst auch kaum zugestehen - die denken, dass sie nicht lernen, dass sie sich nicht ausbilden dürfen. Und die sich dann im Studium diese Lernräume erobern. Oft übrigens in die Gemeinschaft – die sie selbst meist fördern oder stiften. Diese Lerngruppen, Studierendengruppen, WhatsApp-Gruppen sind im Keim revolutionär. Studierende, die in Fachbereichsräten, mit Dozierenden auf Augenhöhe reden. Gut so! Und die dadurch sich Freiheit zugestehen, dadurch stärker werden, Banden bilden für Bildung: Yes, we can!
Auch hier gilt: Gemeinsam sind wir stärker. Aber manchmal muss ich eben den ersten Schritt tun.
Liebe Studies: Hut ab vor Eurem Mut! Macht weiter so!


Illustrationen: Antje Schulz