Nachhaltiges Leben – klug oder störend?

Ist es klug, nachhaltig zu leben, oder ist es nur irgendwie störend? Jeder kennt diese ewigen Vegetarier:innen, diese pingeligen Veganer:innen, diese Nicht-Autofahrer:innen, diese notorischen Bahnfahrer:innen, diese lästigen Nachhaltigkeits-Nörgler:innen, das ist einfach störend im Alltag. Sogar was man schenkt, muss man neu
denken, weil vielleicht auch das Geburtstagskind inzwischen auf diesen Nachhaltigkeitstrip gekommen ist und vielleicht gar nichts mehr haben möchte. Oder nur so eine Spende an irgendeine „dubiose“ Institution, die man
nicht kennt, aber vermutlich kennen sollte. Alles ziemlich stressig.

Nachhaltigkeit ist in aller Munde, nicht nur im Sommer, wo das Thema durch Dürren und Waldbrände mittlerweile
in den Medien dauerpräsent ist. Wir sehen die Menschen und Natur in den zahlreichen Krisenregionen
körperlich und seelisch leiden - weit weg aber auch ganz nah. Viele Menschen scheinen vor diesem Hintergrund eine sogenannte „Klimaangst“ zu entwickeln. Ist Angst eine kluge Strategie, damit innerlich auf Krisen zu antworten? Diese Frage wurde anscheinend in letzter Zeit immer relevanter, so sehr die Zeitungen und Radiosender verstärkt darüber berichten. Angst kann ein Schritt zur Klugheit sein. Es ist ein erster Schritt zu lernen, Angst um unsere Erde, Angst vor der sich beschleunigenden Klimakrise zu bekommen. Aber dieser Schritt reicht nicht aus, es braucht den nächsten Schritt, aus der mit der Angst verbundenen gefühlten Ohnmacht wieder in die Handlung und Selbstwirksamkeit zu kommen. Nicht irgendwann, sondern jetzt. Wir tun gut daran jetzt zu handeln, und unser Umfeld und unsere Institutionen, in denen wir uns bewegen, zu inspirieren und
zu verändern. Mit Klimaangst oder ohne - das geht einfach gar nicht mehr. Den Kopf in den Sand zu stecken - zu glauben, die Klimakrise würde schon irgendwie vorbeigehen, und es würde ausreichen, wenn jemand anders klug werden würde, Wissenschaftler:innen wie wir von der DIPLOMA oder den Scientist for Future etwa.
Wir sollten klug genug sein, unsere Ängste wahrzunehmen. Und dann unsere Ängste in Problemebeschreibungen übersetzen, um die Probleme, die vor uns liegen und die all unsere Klugheit bräuchten, in rasche und effektive Taten zu übersetzen. Etwa, als ersten Schritt, indem wir uns selbst einmal unseren CO2-Print ausrechnen.
Es gibt genug, was wir selbst tun können: nachhaltiges Wohnen, Reisen und Essen etwa, und den Mut, das in den Nachbarschaften oder Gemeinden oder im Job anzustoßen und mitzuentwickeln.
Nein, es ist nicht klug, den Kopf in den Sand zu stecken. Unser Kopf sollte weiter aufrecht auf den Schultern ruhen. Weil wir etwas tun und weil wir uns der Verantwortung klugerweise bewusst sind. Die Verantwortung für die vor uns liegende Zukunft und die vor uns liegende Welt.
Das kann sogar Spaß machen, denn Nachhaltigkeit nachhaltig zu arbeiten und zu leben, ist nicht nur klug, 
sondern ist oft einfach lustig und spannend.

Text: Prof. Dr. Kathrin Rothenberg-Elder 

Illustration ©Chi

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